ℹ Update 2022: Das Interview wurde vor der Einführung der Steuerfreigrenze geführt. Der Artikel ist lesenswert, da Zollbeauftragte hier die rechtliche Lage schildert, wenn Du Produkte aus Nicht-EU-Ländern importierst.
Ich habe in den letzten Monaten, Wochen, Tage immer wieder Posts gesehen, in welchen über das Fallen der Steuerfreigrenze diskutiert worden ist. Meistens mit viel Unwissenheit, Gerüchten und sogar falschen Angaben.
Und ich denke, das Thema ist EXTREM WICHTIG. Denn Anfänger sowie auch Profis können (oder werden) hier "richtig auf die Welt kommen" - und die Zeit läuft.
Somit habe ich ein Interview geführt, mit jemandem, der weiß, wovon er spricht, denn es ist sein Job.
Kurzfassung für die Lesefaulen:
... ich kann jedem Dropshipper nur davon abraten, nach dem 01.07.2021 noch Dropshipping aus einem nicht EU-Land zu betreiben.
Alle Sendungen müssen jetzt zollrechtlich erfasst werden. Kleingutsendungen von geringem Wert, die vorher „durchgerutscht“ sind, werden nun ebenfalls zollrechtlich erfasst und somit registriert. Dadurch werden auch die Anmelder beim Zoll erfasst, die früher nicht aufgefallen sind.
Die Grenzen, besonders die in Höhe von 22 EUR waren nie dafür gedacht, Dropshipping und gewerbliche Einfuhren allgemein zu fördern. Wenn eine Person beispielsweise direkt bei WISH einen Schlüsselanhänger bestellt, dafür waren die Grenzen gedacht. Die Verwendung bei dauerhaften, gewerblichen Einfuhren sind im Grunde Steuerhinterziehung. Das größere Problem aber ist die fehlende Einhaltung der Einfuhr- und Marktrichtlinien.
Viele Waren, die im Dropshipping aus Drittländern, vorwiegend Asien kommen, erfüllen die gesetzlichen Anforderungen nicht. ProdSG, WEEE, Markenschutz, Verbraucherschutz, Batteriegesetz, Verpackungsregister, Artenschutz, u. v. m.
Zunächst bedeutet es für ALLE, erhöhte Wartezeiten beim Zoll, besonders in der Postabfertigung. Viele Dropshipper wissen ja noch gar nicht, dass dieses Problem auf sie zukommt und sind daher auch nicht vorbereitet, sie haben etwa keine EORI. Anhaltende Verzögerungen bei der Abfertigung werden die Folge sein, unzufriedene Kunden, lange Lieferzeiten und… Die Sendungen erscheinen nun auf dem Radar des Zolls. Dadurch natürlich auch der Importeur und Inverkehrbringer.
Viele denken nur „Na ja, dann muss ich oder der Kunde die Sendung halt verzollen, die paar Euro mehr“, aber zum einen werden diverse Produkte dann gar nicht mehr durch den Zoll kommen, weil sie halt die rechtlichen Vorgaben nicht erfüllen, die der Importeur oft gar nicht kennt, zum anderen wird hierbei aber die Tatsache unterschätzt, was es bedeutet, wenn man unter der EORI gespeichert wird. Zwangsläufig kommt es dann irgendwann zur Außenprüfung durch den Zoll. Hierbei werden alle Unterlagen, schlimmstenfalls 10 Jahre rückwirkend, geprüft und auch alte Verstöße aufgedeckt.
Jein, … die Zollanmeldung durch den Chinesen an sich löst ja nur eines der vielen Probleme. Dazu kommt, dass ein Unternehmen ohne Sitz in der EU nach Artikel 170 UZK nicht Anmelder sein kann, außer über die indirekte Vertretung.
Dazu kommt dann noch, dass die Lieferanten oft gefälschte Unterlagen verwenden. Viele sagen da „ist ja nicht mein Problem“, das stimmt aber leider nicht. Artikel 79 UZK „…(3) In den Fällen nach Absatz 1 Buchstaben a und b ist Zollschuldner, b) wer wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass eine zollrechtliche Verpflichtung nicht erfüllt war…“ Dadurch fällt die Zollschuld schnell auf einen zurück, ähnlich wie bei DDP, was ich in einem YouTube-Video auch schon erörtert hatte.
Ja, die Beantragung der EORI an sich ist über zoll.de und das Formular 0870 möglich und kostenfrei. Dazu habe ich auch mal ein YouTube-Video mit Anleitung gemacht.
Die EORI befreit mich natürlich nicht von den anderen Pflichten. Die bleiben bestehen und man muss sich gut informieren und dann die notwendigen Schritte einleiten. Gerade bei dem Thema CE sehr heikel, weil viele davon ausgehen, die Unterlagen des Lieferanten sind in Ordnung, aber die "notified body number" nicht prüfen und dann falsche CE-Unterlagen haben.
Es kann, und da liegt das Problem, kann, … dramatische Folgen haben. Wenn man erwischt wird oder die Außenprüfung Verstöße offenlegt, werden diese auch nachträglich und rückwirkend verfolgt.
Die E-Commerce- und Dropshipping-Szene an sich ist recht jung und daher bislang selten geprüft, aber es hat gereicht, dass der Zoll reagiert. Der Wegfall der Grenzen ist übrigens schon seit 2017 beschlossen. Was auch viele Dropshipping-Kurse fragwürdig erscheinen lässt, da dort ja ein faktisch illegales und bereits verurteiltes Konzept beworben wird.
Von Nachzahlungen von Abgaben, über Bußgelder, Abmahnungen durch Lizenzinhaber oder Markenrechtsinhaber, Steuerhinterziehungsverfahren bis schlimmstenfalls Haftstrafen kann dazu theoretisch alles auf Dropshipper kommen. Noch ist unklar, wie schnell die Prüfungen kommen und auch wie intensiv bei den Abfertigungen 2021 geprüft wird. Der Zoll hat zu wenig Personal. Aber sich hier in falscher Sicherheit zu wiegen, wäre ein fataler Fehler. Oft lese ich genau das „die werden das eh nicht alles prüfen können, bei der Masse“… Stimmt, aber die Nachprüfung kann… Und dann wird es besonders unerfreulich.
Daher kann ich nur jedem davon abraten, nach dem 01.07.2021 noch Dropshipping aus einem nicht EU-Land zu betreiben.
Vielen, vielen Dank an unser Mitglied und Zollbeauftragter Patrick Burwitz für diese ausführlichen Antworten 🙏
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